#16 Übertraining

Um ein besserer Fahrer zu werden oder dein Leistungslevel halten zu können, ist eine Menge Training nötig. Das heißt, du musst deine Komfortzone verlassen und dich mit hartem Training teilweise bis an deine Belastungsgrenze bringen. Hast du dich erst zur Erschöpfung getrieben, wird dein Körper darauf reagieren – er wird nämlich stärker. Dabei solltest du aber vorsichtig sein, denn nur ein schmaler Grad trennt Trainingsbelastung und Übertraining. 

Einen positiven Effekt kannst du nur erzielen, wenn du ein hartes Training mit einer ausreichenden Regenerationsphase abschließt. Je härter du trainierst, umso größer sind die Chancen, deinen Körper und deine Form auf ein neues Level zu bringen. Forderst du deinen Körper aber zu stark und vernachlässigst die Regeneration, kannst du schnell in das sogenannte Übertraining geraten. Das passiert, wenn dein Körper seine Anpassung nur noch mit einer extrem langen Regenerationsphase vornehmen kann. Ist dieser Zeitraum wiederum zu lang, werden deine Fortschritte aufgrund der vielen Tage, die du bei niedriger Intensität trainierst, verschwinden. Deine harte Arbeit war also umsonst.

Ein Gleichgewicht zwischen hartem Training und Regeneration herzustellen, ist das A und O. Dass viele Stunden auf dem Rad keinen Nutzen mehr haben, wenn du dich bereits in dem Zustand der Erschöpfung befindest, ist somit logisch. Wenn du anschließend noch ein Rennen vor dir hast, wird dir die Energie fehlen, um dein Können voll auszuschöpfen.

Übertraining ist die Folge von Überbelastung – wenn du es aber schaffst, nur soweit an deine Grenzen zu gehen, dass dein Körper noch die nötigen Anpassungen vornehmen kann, erzielst du das beste Resultat. Überschreitest du deine Grenzen, braucht dein Körper zu lange für Anpassungen und der Trainingseffekt bleibt aus. Daher musst du lernen, wie viel du deinem Körper zumuten kannst. Nach und nach kannst du deine Trainingsbelastung steigern und deinem Körper wieder neue Impulse geben, auf die er reagiert und stärker wird. So kannst du deine Grenzen langsam und kontrolliert ausweiten. Fachleute sprechen in diesem Fall von einer funktionellen Überbelastung. Diese Art der Überbelastung wirkt sich aber nur dann positiv auf deine Form aus, wenn du auf die Belastungsphasen kurze, aber ausreichende Regenerationsphasen folgen lässt. Dein Körper kann bei einer Überbelastung bis zu drei Wochen benötigen, um seine Anpassungen vorzunehmen und sich gänzlich von den Strapazen zu erholen. So lange nicht anständig trainieren zu können, möchtest du sicherlich vermeiden.

In ein tatsächliches Übertraining zu geraten, ist eher ungewöhnlich. Im Grunde kann dies nur passieren, wenn die Überbelastung sehr heftig war. Ein solches Übertraining kann ein Aus auf dem Bike für Monate oder sogar Jahre bedeuten. Menschen, die ein solches Übertraining absolviert haben, werden sogar oft von schweren Krankheiten, chronischer Müdigkeit oder Drüsenfieber eingeholt.

Wenn du die Möglichkeit hast, mit einem Powermeter zu arbeiten, gibt es eine Möglichkeit, die Anzeichen von Übertraining zu erkennen. Vergleiche deine Leistungswerte nach dem Training mit denen eines vergangenen Trainings, bei dem du mit gefühlt gleicher Intensität zu Werke gegangen bist. Ein Abfall deiner Leistungswerte von mehr als fünf Prozent kann beispielsweise ein Anzeichen für Übertraining sein.

Wenn deine Überbelastung sich noch im funktionellen Rahmen abgespielt hat, sollte sich nach der Regenerationsphase ein Leistungszugewinn bemerkbar machen – Belastungen kommen dir einfacher vor als in vergangenen Trainingseinheiten.

Trainierst du mit einem Herzfrequenzmesser, solltest du deinen Puls im Auge behalten, denn bei Erschöpfung ist es deutlich schwerer, höhere Pulsraten aufrechtzuerhalten. Du könntest beispielsweise nur noch im unteren Bereich des vierten Trainingsbereiches zu pedalieren, obwohl du eigentlich im oberen Bereich an deiner Leistung arbeiten wolltest. Solltest du Probleme haben, die richtige Herzfrequenzzone zu erreichen oder die Herzfrequenz an allen Trainingstagen aufrechtzuerhalten, solltest du deinem Körper unbedingt eine Pause gönnen.

Wenn du eine Regenerationsphase abgeschlossen hast und keine Leistungssteigerung wahrnimmst, ist es möglich, dass du bei deinem Versuch einer funktionellen Überlastung nicht nah genug an deine Grenzen gegangen bist. Sollte sich nach einer Regenerationsphase ein Leistungsverlust bemerkbar machen, könntest du die Grenze im letzten Trainingsblock überschritten haben.

Die deutlichsten Anzeichen für ein tatsächliches Übertraining ist der Motivationsverlust. Daher kann deine Stimmung auf körperliche oder mentale Überlastung hinweisen. Das Gleiche kann man ja immer wieder bei Profis feststellen: Schaut man sich Interviews während der Tour de France an, sieht man, dass sich die Stimmung der Fahrer verändert hat, je weiter das Rennen voranschreitet. Ein klassisches Anzeichen dafür, dass die Fahrer müde werden und die körperlichen Strapazen beginnen, an ihnen zu nagen.

Wenn du glaubst, dich in dem Zustand der Überlastung zu befinden, gibt es nur eine Pause als Lösung. Das heißt aber nicht, dass du die Zeit einfach auf dem Sofa absitzt. Du musst viel eher darauf achten, deinen Körper mit erholsamem Schlaf, gesunder Ernährung und Training bei geringer Intensität wieder in die richtige Spur zu bringen. So bleibst du weiterhin aktiv, mutest deinem Körper nur soviel zu, dass er sich vom Übertraining erholen kann. Trainiere solange auf Sparflamme, bis deine Motivation und die Energie für das Training zurückkehrt. Auch dann darfst du nicht direkt Vollgas geben, sondern solltest mit ein bis zwei lockeren Trainingstagen beginnen. So kannst du sicher gehen, dass du tatsächlich wieder hergestellt bist, bevor du wieder mit voller Intensität zu Werke gehst.

11. Juli 2017 | Anna vom VSC Team